Der Kuckuck als Lebensretter
Auszug aus meinen Erinnerungen an meinen Geburtsort Spreedorf
von Alfred Heinrich
... und daß sich der Kuckuck in unserem Ort einmal als Lebensretter verdient gemacht hat, soll eine mündliche Überlieferung eines längst verstorbenen hochbetagten Mütterchens zeigen, die in der Nähe des Spreeborns im jetzigen Stadtteil Spreedorf wohnte. Sie war stark beschäftigt mit Kartoffelnaushacken. Dabei hatte sie ihr 2 1/2 jähriges Bübchen auf Decken an den Ackerrand gesetzt, wo es anscheind eingeschlafen war. Ein Kuckuck rief im nahen Birkengebüsch in wenig unterbrochener Folge. Dadurch blickte die Mutter einmal auf und unterbrach die emsige Arbeit. Ihre Blicke streiften nach dem wechselnden Rufort des Kuckucks und fielen plötzlich auf die zusammengefallene Zudecke des Kindes. Sie ließ die Hacke fallen, rannte zum Rain und ahnte Schlimmstes. Der Kleine hatte sich im unbewachten Augenblick aufgemacht und war in den wenig entfernten Spreegraben gefallen, wo die Mutter ihn noch im letzten Augenblick retten konnte. "Nur dem Kuckuck habe ich es zu verdanken, daß ich mein Bübchen noch retten konnte" - erzählte sie.
Damit nun das Kind keinen Spitznamen erhalten sollte, hat sie das Geschehnis bis ins hohe Alter behalten. Bei einer Jugenderinnerung gab sie es preis. Sie bat mich aber, erst einmal darüber Genaues zu berichten, wenn ihr Sohn heimgegangen sei.
Anmerkung:
Es handelt sich bei dem Bübchen um den Reinhold Röthig - bei Butterrietche - Haus neben Hausgrundstück 1091 c.
Das Birkengebüsch war - Hoans Hennerchs Büschel -.
Anmerkungen von Burkhard Gocht:
Reinhold Röthig - bei Butterrietche, das war mein Urgroßvater (durchweg mütterlicherseits), geboren am 6.5.1874. Falls die Anmerkung "bei Butterrietche" tatsächlich von Alfred Heinrich stammt und nicht etwa nachträglich hinzugefügt wurde, wäre Reinhold tatsächlich 2 oder 3 Jahre alt gewesen, aber nicht 2 1/2 (der Kuckuck ruft im Mai!). Die Geschichte müsste sich also ca. 1876 oder 1877 zugetragen haben.
Hausnummer 1091 C ist wahrscheinlich heute Am Spreeborn 7. Butterrietche wohnte in dem daneben stehenden Haus, lt. Aussage meiner Großmutter im heutigen Am Spreeborn 5.
"Röthige gab es damals viele und fast alle hießen Reinhold." (Aussage meiner Tante). So ist es nicht verwunderlich, dass in dem gleichen Haus später ein anderer Reinhold Röthig wohnte, mit dem ich jedoch nicht verwandt bin.
Der Vater von Reinhold Röthig baute Ende des 19. Jh. auf einem abgeteilten Flurstück für seine Familie ein eigenes Haus, Hausnummer 1092 B, heute Spreedorfer Str. 144. Hier ist der Butterverkauf durch meine Tante bezeugt: "Der Butterverkauf war ein Zuverdienst für meinen Großvater, der als Weber in Neugersdorf arbeitete. Normalerweise gab es damals Fassbutter, die in Klumpen nach Gewicht verkauft wurde. Mein Großvater verkaufte dagegen abgepackte Stückchen, wie wir sie heute auch noch kennen. Diese Butterstücke kamen aus Reichenberg (heute Liberec) und mussten am Bahnhof Neugersdorf abgeholt werden. Der Großvater erledigte das mit einem kleinen Leiterwagen (Handwagen). Bis zum Bahnhof durfte ich im Wagen mit fahren, zurück musste ich laufen. Dann musste ich jeweils zwei bis drei Butterstücke in die Häuser der Abnehmer bringen."
Ab 1945 verkaufte meine Großmutter, Tochter von Reinhold Röthig bis Ende der 1950er Jahre Milch unter dem Namen Butterrietche.
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